Normalerweise bekommt ein Jubilar zu seinem Geburtstag selbst Post. Beim Ulmer Stadtrat Marin Rivior war dies aber heuer anders. Der am 18. Juni 1960 in Ulm geborene SPD-Landtagsabgeordnete schreibt an seinem Geburtstag einen Brief an Oberbürgermeister Gunter Czisch. Dieser beinhaltet den eindringlichen Antrag zur Umbenennung der Ulmer Mohrengasse in Manga-Bell-Gasse.
Aufgrund der aktuellen Rassismus-Diskussion sieht die SPD den Ausdruck „Mohren“ nicht geeignet als Namensgeber. Nach den Zeilen von Marin Rivior liegt die Benennung der Gasse im 16 Jahrhundert begründet. Damit geht die Namensgebung der Gasse in die Zeit der kolonialen Expansion Europas, also in die gewaltvolle Geschichte des Sklavenhandels zurück. „Mohr“ ist demnach die älteste Bezeichnung für schwarze Menschen in Deutschland und ein herabwürdigender Begriff. „Ein kritischer Umgang mit unserem kolonialen Kulturerbe sollte deshalb in einer respektvollen Umbenennung zum Ausdruck kommen“, schreibt der Stadtrat in seinem öffentlichen Brief.
Zwar strebt die SPD einen bürgerlichen Dialog zur Umbenennung an, hat aber parallel bereits einen Namensvorschlag. Als Alternative wird der Name „Manga Bell“ in den Ring geworfen. Der 1873 geborene Kameruner ging seinerzeit auf das Ulmer Gymnasium. Nachdem er sich gegen die deutschen Kolonialherren einsetzte, wurde er 1914 in seinem Heimatland hingerichtet. Nach Ansicht der SPD hätte diese Namensgebung den Vorzug, dass sie nicht nur mit der Schuldtilgung der Stadt Ulm, sondern auch als Würdigung eines Kolonial-Kritikers in Bezug steht. Aber Entscheiden sollten dies nicht Stadtverwaltung und Gemeinderat, sondern die Bürger von Ulm.
Martin Rivior schlägt in seinem Brief vor, dass eine Kommission aus historischen Experten und in Ulm lebenden schwarzen Menschen gebildet werden könnte. Diese solle die Hintergründe des Namens „Mohrengasse“ beleuchten und Alternativen erarbeiten. Ob die Antwort des Oberbürgermeisters Glückwünsche an den 60er-Jubilar enthalten wird, bleibt abzuwarten.